Deutscher Jiu Jitsu Bund

Ein Rückblick zu seinem 80. Geburtstag (Teil 1/3)

Am 14. August 2022 feierte Dieter Lösgen (10. Dan Jiu Jitsu, 1. Dan Judo, Ehrenpräsident KID/DJJB) seinen 80. Geburtstag im Kreise seiner Familie.
Dieter Lösgen ist mit Ilse Lösgen verheiratet, hat eine Tochter und zwei Enkelkinder.
Von Beruf ist Dieter Lösgen Sport-Physiotherapeut und Heilpraktiker in eigener Praxis. Der Deutsche Jiu Jitsu Bund möchte im Folgenden mit einem Rückblick auf Leben und Leistungen unserem Ehrenpräsidenten Dieter Lösgen für den jahrzehntelangen überragenden Einsatz für den DJJB und die KID danken, ihn ehren und alles Gute für die Zukunft wünschen. Dieser Rückblick speist sich aus persönlichen und gesammelten Erinnerungen sowie der Essenz der großen Wirkungskraft und Präsenz von Dieter Lösgen.
 

Dieter Lösgen – das ist ein Name, der in der Welt des Jiu Jitsu internationalen Ruf genießt. Und auch bei Dieter Lösgen gab es einmal die Zeit des Anfangs, in der ein junger Mensch den ersten Schritt auf einem langen Weg getan hat. Ab dem 10. Lebensjahr ist er in das Jiu Jitsu hineingewachsen. Damals als Kind wusste er noch nicht, was Jiu Jitsu genau ist. Wie alle Kinder in diesem Alter wollte er einfach nur spielen. Doch es gab einen entscheidenden Tag, an dem in Dieter Lösgen die Leidenschaft für das Jiu Jitsu entfacht wurde.
Sein Bruder, der hauptsächlich Judo geübt hat, nahm ihn eines Tages mit zum Training, weil er auf ihn aufpassen musste. Hier wurde im Training in einer freien Gruppe Judo und Jiu Jitsu geübt. Dieter Lösgen hat mitgemacht, so gut er konnte. Am Anfang war alles nur ein Spiel, dann wurde Jiu Jitsu immer wichtiger. Und neben Trainingsfleiß kam auch etwas Glück hinzu, denn Hans-Gert Niederstein (10. Dan Jiu Jitsu, 2. Dan Judo, Präsident KID/DJJB, * 24.05.1928 † 12.11.1985) gründete im Jahr 1955 in Oberhausen einen Verein, in dem unser heutiger Ehrenpräsident dann regelmäßig trainieren konnte. Jahre vergingen und das Training wurde ein sehr wichtiger Bestandteil seines Lebens.
Sein älterer Bruder zog nach einiger Zeit fort. Hans-Gert Niederstein blieb und wurde eine wichtige Bezugsperson, die ihn in der Folgezeit sehr prägen sollte.

Er hat schon als junger Mensch gesehen, dass sein Weg – von dem er damals noch nicht allzu viel wusste – ein Weg sein würde, der auf die Auseinandersetzung mit Budo und Sport – also Judo und Jiu Jitsu abzielen würde. Die sportpolitischen Querelen, wie sie überall vorkommen, waren Nebensache. Er wollte damals wie später auch keine (Sport)Politik machen. Er wollte sich bewegen und andere motivieren das gleiche zu tun. Die Bewegungen des Judo und Jiu Jitsu verstehen und nachvollziehen…
Die Wege im Judo und im Jiu Jitsu verliefen zunächst parallel. Wenn man jung ist, kann und will man Bäume ausreißen. Das reicht dann auch für zwei Budo-Künste. Entscheidend war aber wohl die Einsicht, dass das Jiu Jitsu eine so große Breite an Möglichkeiten darstellte, die Dieter Lösgen sonst nirgendwo vorfand. Jiu Jitsu hat ihn mit seiner fortschreitenden Entwicklung als Budoka einfach fasziniert und in einen Bann gezogen, der ihn nie wieder loslassen sollte.
 

Dieter Lösgen mit Hans-Gert Niederstein

So verbanden sich zwei Wege zu einem Weg, welcher das Jiu Jitsu sein sollte. Die erlernten Elemente aus dem Judo finden sich bis heute im Jiu Jitsu des DJJB an vielen Stellen wieder. In dieser Hinsicht muss sicherlich auch festgehalten werden, dass sein Lehrer, Partner auf der Matte und Freund Hans-Gert Niederstein hier seinen Eindruck und seinen Einfluss hinterlassen hat, schließlich standen beide über Jahrzehnte hinweg gemeinsam auf der Matte. Das Prüfungswesen, wie wir es heute im DJJB kennen, hat seinen Ursprung auch in diesen Jahren gehabt. Die Wichtigkeit von Prüfungen stand nie außer Frage. In diesen kann man zeigen, dass man sein Programm und das unter Anstrengungen Erlernte beherrscht, und zwar auch unter Stress. In der Selbstverteidigungssituation ist der Stress noch viel größer, also sind Prüfungen eine gute Vorbereitung für den Ernstfall. Und zugleich Prüfungen für das Leben selbst.

Das Jahr 1960 war für Dieter Lösgen sehr wichtig, weil er in diesem Jahr im Judo und im Jiu Jitsu jeweils seinen 1. Dan absolviert hat. Das Jahr markiert den Wendepunkt vom Schüler zum Meister. Das Recht den Schwarzgurt zu tragen, verpflichtete ihn selbst zugleich, den eigenen Weg in Richtung Meisterschaft noch intensiver zu verfolgen. Im gleichen Jahr wurde unter seiner Beteiligung auch der Bushido Mülheim e.V. gegründet. Die Gründung war gut, weil es nun einen festen Standort für das Üben des Jiu Jitsu in Mülheim an der Ruhr gab. Ein Jahr später wurde übrigens – heute würde man es PR-Maßnahmen nennen – unter maßgeblicher Beteiligung von Hans-Gert Niederstein und Dieter Lösgen mit der Erstellung des ersten Lehrfilms Jiu Jitsu begonnen. Hans-Gert Niederstein hat zu dieser Zeit den Werkschutz bei Siemens in Mülheim an der Ruhr geleitet – durch die Nähe zu Siemens entstanden somit auch Vorteile, auch was das Training auf dem Betriebsgelände anging. Es gab einen erheblichen Entwicklungsschub. In den Folgejahren konnte die Judo-Kampfmannschaft des Bushido Mülheim durchstarten und Erfolge verbuchen.
Der Vergleich im Rahmen von Meisterschaften war für den Jung-Danträger Dieter Lösgen damals schon sehr wichtig. Daran änderte auch seine Zeit bei der Bundeswehr beim Jagdgeschwader 71 Richthofen in Wittmund von 1965 bis Ende 1966 nichts. Innerhalb seines 18-monatigen Militärdienstes belegte er 1. und 2. Plätze bei den Militärmeisterschaften im Weltergewicht Judo. Bei den Deutschen Judo Einzelmeisterschaften (DVWS) belegte Dieter Lösgen 1965 Platz 4, im selben Jahr kam die Einladung zu den Vorbereitungslehrgängen für die Militärweltmeisterschaft, verletzungsbedingt konnte er aber an den Meisterschaften nicht teilnehmen.
 

Dieter Lösgen mit Hans-Gert Niederstein

Dieter Lösgen mit Hans-Gert Niederstein

Im Jahr 1968 kam der feste Entschluss, das Jiu Jitsu in den Mittelpunkt zu stellen, was sich unter anderem darin niederschlug, dass er bis 1972 die Prüfungen vom 2. bis zum 4. Dan Jiu Jitsu absolvierte, und zwar in Berlin bei "Papa" Rahn. Hier sieht Dieter Lösgen einen der großen Unterschiede zur Gegenwart, denn die Prüfungsvorbereitung war deutlich komplizierter, weil es durch den Kalten Krieg und den "Eisernen Vorhang" nicht immer einfach war sich auszutauschen. So gelang die Weiterbildung zum Teil über Lehrbriefe von "Papa" Rahn; es wurde alles so gut wie möglich eingeübt, und schließlich stellte man sich dem Prüfungskomitee. – Keine freien Lehrgänge, kein internationaler Austausch und vor allem keine modernen Mittel wie Videokonferenzen, Downloads oder Apps. Alles war immer an den Moment gebunden.
Seine Prüfer zum 5. Dan Jiu Jitsu waren 1975 Robert Tobler (10. Dan), Paul Belous (9. Dan) und Hans-Gert Niederstein (9. Dan). Damals wie heute sieht die Prüfungsordnung des DJJB vor, dass Graduierungen ab dem 6. Dan Jiu Jitsu ohne Prüfung erfolgen. Dieter Lösgen ließ es sich aber dennoch nicht nehmen, die Ehrengrade des 6. und 7. Dan Jiu Jitsu als Prüfung abzulegen. Der 8. Dan Jiu Jitsu war eine Ehrengraduierung der Korporation Internationaler Danträger (KID). Der 9. Dan Jiu Jitsu ist als Graduierung durch testamentarische Verfügung und Wunsch von Hans-Gert Niederstein (10. Dan) erfolgt.
Mit dessen Tod am 12. November 1985 übernahm Dieter Lösgen die Nachfolge als Präsident von KID und DJJB. Dieter Lösgen hat immer darauf hingewiesen, dass man mit den Anforderungen wächst. Dies traf auch auf seine eigene Laufbahn mit vielen neuen Pflichten und Aufgaben zu. Teilweise ist genau das passiert, was er ursprünglich als junger Dan-Träger nie wollte. Plötzlich steht man vor der Frage, wie man die Geschicke des Verbandes leitet und wie man sicherstellt, dass man seiner Verantwortung im Sinne der Jiu Jitsuka gerecht werden kann, und zwar ohne das eigene wichtige und grundlegende Ziel – das Training auf der Matte – zu vernachlässigen. In den Jahren 1978 bis 1980 war er bereits Landesleiter des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, es folgte der stellvertretende Präsident von KID und DJJB und schließlich auch das Amt des Bundestrainers des DJJB. Das bedeutete viel mehr Arbeit und Verantwortung, die man allein überhaupt nicht bewältigen kann. Und alles muss mit Beruf und Familie vereinbar sein. Er wollte nie Funktionär sein, aber der Verband muss eben funktionieren. Und nicht jeder ist für diese Aufgaben geeignet – erst recht nicht für die höchsten Ämter. Also muss man Arbeit und Verantwortung an die richtigen Leute abgeben. Das ist insgesamt auch gelungen. Die Matte hat alle verbunden.
 

v.l.n.r. Dieter Mäß, Hans-Gert Niederstein, Dieter Lösgen

Die Matte – das bedeutet dann irgendwann auch die Gründung eines eigenen Dojos. Im Jahr nach dem Tod Hans-Gert Niedersteins gründete er den TBF Bushido Frintrop e.V. in seiner Heimatstadt Essen, bis zum Jahr 1993 lehrte er auch noch im Bushido Mülheim e.V., was bedeutet, dass man unter der Woche viermal auf der Matte stand, und zwar regelmäßig. Hinzu kamen Wochenenden für Lehrgänge und Prüfungen. In den 90er-Jahren kam auch in internationaler Hinsicht Schwung in das Lehrgangswesen. Es ist alles größer, offener und internationaler geworden, was Dieter Lösgen immer begrüßt hat. Man kann mit einer internationalen Ausrichtung noch besser über den "Tellerrand" schauen. Wir profitieren von dieser Entwicklung. Heute reist man nicht mehr nur innerhalb von Deutschland, sondern fliegt zu Lehrgängen und Meisterschaften in der ganzen Welt. Der Austausch über Ländergrenzen hinweg hat es auch ermöglicht, dass das Jiu Jitsu des DJJB sich weiter entfalten und entwickeln konnte. Dazu gehört auch zu wissen, was unverhandelbarer Bestandteil des Jiu Jitsu im DJJB ist und was nicht. Es ist dem DJJB unter der Führung von Dieter Lösgen in den zurückliegenden Jahrzehnten etwas Unverwechselbares gelungen: Man erkennt Mitglieder des DJJB an den Techniken – man kann es auch Technik-Stil nennen. Das zu erhalten und weiterzuentwickeln ist die große Aufgabe, der Dieter Lösgen sich stellen musste: die Balance zwischen Altem und Neuem. (...)

Fortsetzung in Teil 2


Wir wünschen Dieter Lösgen im Namen von KID und DJJB zu seinem Geburtstag alles Gute, beste Gesundheit und Glück im Kreise seiner Familie.
Sensei-rei
 

Josef Djakovic (Präsident KID/DJJB)
Volker Schwarz, Andreas Dolny (Pressereferenten LV-NRW)