Deutscher Jiu Jitsu Bund

Murphys Gesetz geht davon aus, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird. Der "Vater" dieses Gesetzes, Ingenieur Captain Edward Aloysius Murphy Jr., untersuchte ursprünglich Arbeitsabläufe bei der US-amerikanischen Luftwaffe mit Blick auf Fehlerquellen.
Doch was hat dies mit einem Dan-Lehrgang im Jiu Jitsu zu tun? Frank Reichelt (5. Dan Jiu Jitsu, Doshinkai Oberhausen) hatte im Rahmen seines Dan-Lehrgangs im Dojo des Doshinkai Oberhausen am 6. März 2022 mit dem Thema Abwehren gegen Folgeangriffe: Uke blockiert den ersten Verteidigungsansatz alle eingeladen waffenlose Abwehrtechniken und ihren Verlauf anders zu denken, zu sehen, zu spüren und anzuwenden. Grundannahme war, dass Abwehrtechniken nicht immer – so wie sie geübt werden – linear verlaufen, sondern aus unterschiedlichen Gründen schon im Prozess der Bewegung flexibel abgewandelt werden müssen, will man nicht scheitern.
 

Zu dem vorgeschalteten Prozess der Technik gehört auch, dass jede gezielte Bewegung und damit jede Abwehrtechnik theoretisch – wie es Murphys Gesetz vorsieht – nicht die gewünschte Wirkung erreicht und damit schiefgeht. Schiefgehen beschreibt hier nicht etwa einen Haltungsfehler, sondern vielmehr einen Fehler, der in der Selbstverteidigung über Wohl und Wehe entscheidet. Von angehenden Dan-Trägern und Dan-Trägern muss erwartet werden, dass sie flexibel auf Veränderungen eingehen können. Frank hatte daher mehrere waffenlose Techniken zusammengestellt, die den Teilnehmenden bereits zum Großteil aus dem Bereich waffenlose Kata I bis III des Deutschen Jiu Jitsu Bundes bekannt waren, womit alle bereits aus einem vertrauten Repertoire schöpfen konnten.
 

Bekanntes mit Neuem (Unerwartetem) kombinieren war hier die Devise. Die Bandbreite der möglichen Angriffe ist groß, daher wurden exemplarische, aus Kata ausgekoppelte Techniken gegen folgende Angriffe geübt und besprochen: Mae Geri, Schwitzkasten von der Seite, Umklammern von vorne, Schwinger, gerader Fauststoß, Würgen von vorne, Doppelnelson mit geblocktem Ansatz, Haarzug von hinten, Handgelenk diagonal und Umklammern von hinten. – Nun war die Aufgabe, sich auf Murphys Spuren zu begeben und zu untersuchen, was den antizipierten Verlauf der Techniken stören oder verändern kann. Die ausgewählten Techniken und die sich aus der jeweiligen Situation ergebenden Möglichkeiten und Alternativen wurden von den Teilnehmenden in drei Gruppen erörtert und danach im Plenum vorgestellt.
 

Es fanden sich zahlreiche Möglichkeiten und Varianten, die etwa von der Körpergröße und den jeweiligen Bewegungen von Uke abhängig waren. Im Fazit konnte jedoch in vielen Fällen gesagt werden, dass, wenn Tori die Technik richtig zieht, es keinen Unterschied macht, ob Uke einen Folgeangriff in die Abwehr hinein beginnt. In anderen Fällen war es richtig und wichtig für Tori die begonnene Abwehrtechnik aufzugeben und umgehend Distanz zu Uke zu schaffen. Dies galt insbesondere für die Fälle, in denen es Uke gelingt – zum Beispiel bei einer Abwehr gegen Umklammerungen nach der ersten eigenen Aktion (Hand fixieren) – eine Hand herauszuziehen und mit dieser Hand im Rücken von Tori stehend einen Folgeangriff zu beginnen. – Insgesamt ließ sich feststellen, dass jeder Angriff und seine Verteidigungsoptionen von vielen Faktoren beeinflusst werden. Wichtig waren Wahrnehmung und Körpergefühl, um Unwägbarkeiten zu kompensieren und sich rechtzeitig auf sie einzustellen.
Ebenso wichtig war das Beherrschen der Abwehrtechnik und das Verständnis dieser selbst. Wird die Abwehrtechnik richtig ausgeführt, wird der Angreifer kontrolliert und verliert damit seinen Spielraum für etwaige Folgeangriffe. In jeder erfolgreichen Abwehr ist immer auch die Flexibilität enthalten, sich rasch und vor allem rechtzeitig auf neue Sachverhalte einzustellen, damit man letztendlich eben nicht scheitert! Dieser Lehrgang hat auf dem Weg dorthin einen sehr wertvollen und nachhaltigen Beitrag geleistet.
 

Text: Andreas Dolny & Volker Schwarz
Bilder: Bernd Kampmann