Deutscher Jiu Jitsu Bund

Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern, spricht Konfuzius. Der Budoka schätzt die kleinen Dinge. Den Gedanken, die Trainingstasche zu packen, sich auf den Weg zum Dojo zu machen, die Begrüßungen, die ersten Gespräche beim Umziehen, das Betreten der Halle; die Verbeugung, das Betreten der Matte, die gemeinsame Verbeugung, die Aufstellung mit Begrüßungszeremonie, und dann: Budo.
Der Weg im Kleinen, die Auseinandersetzung mit der Technik, dem Partner und sich selbst. Ob Kondition oder Bewegung - jeder für sich ist immer auch im Kreise der Anderen, die, wie in einem Mikrokosmos, die Gemeinschaft der Übenden (im Dojo) ausmachen. Jeder ist für sich und sein Gegenüber wichtig. Zum eigenen Do gehört auch das Miteinander. Das gemeinsame Üben und der gemeinsame Fortschritt. Man wächst nicht allein; selbst die Pflanze braucht die Sonne.

Doch jetzt ist die Geselligkeit als Kern des Problems ausgemacht worden, weil Menschen sich nahe sind und weil sie als soziale Wesen auf Nähe und Körperkontakt angewiesen sind. Der zielstrebige Budoka arbeitet mit Technik gegen Kraft, mit Gelassenheit gegen Wut, und begibt sich bereitwillig ins "Auge des Wirbelsturms", um hier Kräfte umzuleiten und zum Sieg zu gelangen. All das ist im Moment im Trainingsbetrieb nicht mehr möglich, weil uns - und damit sind alle Budo-Künste gemeint - ein "Gegner" auf Mikroebene in Schach hält. Ein Gegner, der mit herkömmlichen Mitteln des Kampfes nicht besiegt werden kann. Also darf man sich nicht die "Kampfesweise" des Gegners aufdrängen lassen - hier ist nach Alternativen zu schauen. Ist es dem Budoka verwehrt, seinen Weg im direkten physischen Üben zu beschreiten, so ist ihm geboten, will er nicht stillstehen, sich nun umso intensiver um die geistige und philosophische Seite des Budo zu bemühen.

Der Budoka besinnt sich auf die (Budo-)Tugenden, die ihm einen Maßstab für verantwortungsvolles Handeln und Verhalten offerieren. In Zeiten von "Corona" ist es wichtig, dass man sich an die vorgeschriebenen Verhaltensregeln hält. Hierzu gehört folglich auch das so genannte Social Distancing ("Abstand-Halten" von Mensch zu Mensch, um die Ansteckungsgefahr deutlich zu verringern) und das Händewaschen.
Vom Wort her könnte man ja bei "Sozialer Distanzierung" fast von einem Widerspruch in sich sprechen. Denn sozial kommt von frz. "social", lat. "socialis" = so viel wie "die Gesellschaft betreffend". Das Wort Distanz stammt ebenfalls aus dem Lateinischen (distancia = Abstand, Entfernung) bzw. aus dem Französischen (Distance, gleiche Bedeutung).
Im Deutschen kann das Wort Gesellschaft auf eine lange Wortgeschichte schauen.
Im Althochdeutschen/Mittelhochdeutschen wird von gisellascaft bzw. geselleschaft gesprochen; es bezeichnet hier sinngemäß u.a. die "Vereinigung von Menschen im Sinne eines freundschaftlichen Zusammenseins" (später wird erst im heutigen Sinne von Gesellschaft gesprochen). Man muss sich also, wenn man sich im gesellschaftlichen (sozialen) Sinne richtig verhält, nicht in Widersprüche verwickeln, wenn man den Kontakt zu den Menschen in der Familie, im Freundeskreis oder im Bekanntenkreis, im Verein und Verband aufrecht erhält.

Es geht nur um die physische Distanz (Infektionsschutz, Abstand zwei Meter, Kontaktvermeidung etc.). Die Digitalisierung als notwendiges "Handwerk" - schließlich geht "digital" auf die Bedeutung von Hand zurück (digitus, lat. Hand) - wird aus diesem Grund forciert werden müssen, um womöglich in Zukunft unseren Alltag noch mehr entlasten zu können. Um sich dann gestärkt und bewusst auf wesentliche Dinge konzentrieren zu können. Im Moment sind weder das verbindende Handgeben noch die lösende Hand- oder Handgelenkbefreiung möglich.
Der Kontakt über das Handy, WhatsApp, soziale Medien! sowie Mails, Video-Kommunikation und auch den altertümlich anmutenden Brief per Post ist durchaus erwünscht und hilft uns allen in diesen schwierigen Zeiten. Und Regeln. Wer sich an die Regeln hält, handelt sozial im wahrsten Sinne des Wortes. Damit die Starken in der Gesellschaft stark bleiben können und die Schwachen gesund und (vor Infektionen) geschützt sind. Wir alle tragen für uns Verantwortung. Wir tragen jetzt Verantwortung. Wir tragen für uns selbst, unseren Körper und unsere Fitness Verantwortung und können uns selbst nach bestem Wissen und Gewissen fit halten. Wir dürfen aber auch wieder auf eine Zeit hoffen, in der wir uns wieder frei und unbeschwert im Alltag bewegen dürfen. Auch im Dojo, auf Lehrgängen und Meisterschaften.

Doch bis dahin fokussiert sich die Disziplin des Budoka auf die Einhaltung aller Regeln, die in Summe zur Wiederaufnahme des Trainingsbetriebes (und des Alltags) führen und unseren Weg stützen. In diesem Sinne erkennt der Budoka die Dinge, die er bewältigen kann. Er nimmt auch wahr, was er im Moment zu ändern nicht imstande ist. So könnte man als Schlusswort die Weisheit des großen Chinesen - etwas seit mehr als zweitausend Jahren Bestehendes - leicht abwandeln und konsequent und gelassen zugleich zu folgendem Gedanken gelangen: Ist man mit kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern.
Der Deutsche Jiu Jitsu Bund wünscht allen Kraft, Zuversicht, Gesundheit und die Verwirklichung unserer persönlichen und gemeinsamen Vorhaben.
 

Andreas Dolny & Volker Schwarz