Deutscher Jiu Jitsu Bund

"Mit 66 Jahren..." – so lautet der Titel eines Liedes des österreichischen Sängers Udo Jürgens aus dem Jahre 1977. In diesem wird dem Zuhörer auf musikalische Weise glaubhaft vermittelt, dass mit dem Eintritt in das Rentenalter das Leben weitergeht und – so Udo Jürgens – "noch lange nicht Schluss ist".
Eine Zäsur – wenn auch eine (wieder) vorübergehende – erlebten und erleben wir gerade mit Corona. Nach dem Stillstand und der Ruhe wurde auch seit dem 19. Mai 2020 im Bushido Mülheim wieder mit den gebotenen Vorsichtsmaßnahmen das Jiu-Jitsu-Training wieder aufgenommen. Die Freude war groß. Allem voran stand und steht natürlich die Sicherheit der Trainierenden und damit die derzeit gültigen Hygiene- und Abstandsbestimmungen. Hier haben die Übenden als Budoka erhebliche Vorteile, weil sie an Regeln, Rituale und Form gewöhnt sind, und zwar mit Blick auf Form und Inhalt, was verstanden, vertreten und verinnerlicht werden will.
 

Die Trainingseinheiten sind seit dem Wiederanfang insgesamt vielfältig und bestehen aus Elementen des sonst üblichen Jiu Jitsu. Wie bei der Übung von Tritt- oder Schlagtechniken, wenn wir uns in gewohnter Weise einen imaginären Gegner direkt vor uns "vorstellen", also in "Nicht-Pandemie-Zeiten", wie wir sie Jahrzehnte lang hatten und – das sei an dieser Stelle auch mal gesagt – auch wieder haben werden, lassen sich diese Sequenzen auch in das derzeitige kontaktlose Training in der Halle mit einbauen.
Wenn unser Training wieder unter normalen Umständen läuft, wird sich dieses intensive Training von Grundtechniken sicher noch bemerkbar machen. "Corona" ist eine Krise. Sie stellt uns die Frage, was wir aus ihr lernen können und welche Schlussfolgerungen wir hieraus ziehen. "Corona" ist im Laufe der Geschichte des Jiu Jitsu innerhalb und außerhalb Japans sicherlich ein eigenes Kapitel. Jiu Jitsuka werden sich bei jeder großen Krise entsprechende Fragen gestellt haben müssen.
Jiu Jitsu hat in seiner Vielfältigkeit überlebt und Jiu Jitsuka haben wegen des Jiu Jitsu und wegen des von diesem vorgezeichneten Weges (Do) überlebt, sich angepasst und weiterentwickelt.
 

Der Bushido Mülheim hat seit seiner Gründung vor 60 Jahren der Kampfkunst Jiu Jitsu eine bemerkenswerte Entwicklung ermöglicht. Damals von Hans-Gert Niederstein (10. Dan Jiu Jitsu, 2. Dan Judo; 1928-1985) mit einer Handvoll begeisterter Judo- und Jiu Jitsu-Sportler gegründet, kann sich der Bushido Mülheim heute mit Stolz über die Jahrzehnte gut geführte Vereinsarbeit freuen. Erfolge müssen nicht immer zwangsläufig in einer Tabelle sichtbar sein.
Schon das positive Erscheinungsbild des Bushido Mülheim oder der Umstand, dass die über Jahrzehnte erfolgreich wirkende Jugendabteilung stetig an der Weitergabe und Weiterentwicklung des Wissens Anteil hatte, zeigt, dass der Verein als Jubilar immer die Zeichen der Zeit erkannt und auf die Kinder als Zukunftsträger gesetzt hat. Kinder sind die Zukunft.
Diese erfolgreiche Entwicklung ist neben dem Gründer Hans Gert Niederstein vor allem dem Engagement der Jiu Jitsu Meister Dieter Mäß (8. Dan Jiu Jitsu, 2. Dan Judo), der heute schon über 55 Jahre auf der Matte steht, und Sascha Berndsen (3. Dan Jiu Jitsu), sowie den weiteren sieben Danträgern zu verdanken, die sich stets für ihren Verein, für die Entwicklung des Jiu Jitsu einsetzen.
Das Training im Bushido Mülheim war und ist anspruchsvoll und bietet vielfältige Übungen für Körper und Geist. Physische Fitness wird genauso angestrebt wie psychische Stärke. Ziel des Jiu Jitsu ist es, die Einheit von Körper und Geist zu erreichen und so durch innere Harmonie und Stärke, Hindernisse jeglicher Art zu überwinden. Erreicht wird dieses (innere) Ziel nur durch Selbstdisziplin und regelmäßiges Training unter der Anleitung von gut ausgebildeten und erfahrenen Trainern. Weitere (äußere) Ziele und Höhepunkte des Vereins sind die jährlich stattfindenden Prüfungen zum nächst höheren Gurt und die alle zwei Jahre stattfindenden Deutschen Meisterschaften. Der Verein versteht sich als Gemeinschaft. Nicht nur das Training auf der Matte, auch Freizeitaktivitäten gehören zum Vereinsleben. Ausflüge, Feiern und andere gemeinsame Aktivitäten (Grillen, Bootstouren etc.) bilden einen Ausgleich zum Mattentraining und stärken die Verbindungen unter den Mitgliedern. Auch Motorradtouren sind hiervon übrigens nicht ausgeschlossen, wie Udo Jürgens es mit "... Ich kauf' mir ein Motorrad und einen Lederdress. Und fege durch die Gegend mit hundertzehn PS..." es in einer Strophe empfiehlt.
Die Kunst in allem liegt aber wohl nicht nur darin, sich von außen die nötige "Power" zuzulegen, sondern die eigene Kraft so zu pflegen und zu hegen, dass sie wächst und gedeiht, damit man Großes bewegen kann – einfach so, auf dem Motorrad oder auf der Matte. Richtig verstanden könnte man sagen: Der Gi verleiht (vermittelt) Chi. Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber was ist das Einfache wert? Also ist es so, dass uns der Gi äußerlich in der Gemeinschaft vereint. Innerlich durch die Haltung und unser Streben nach Jiu Jitsu. Und vor allem durch Beharrlichkeit. Chef-Trainer Dieter Mäß ist seit 1964 dabei und somit auch Gründungsmitglied der Korporation Internationaler Danträger (KID) und des Deutschen Jiu Jitsu Bundes (DJJB). Angefangen hat er mit Judo und ist dann unter der Anleitung von Hans Gert Niederstein zum Jiu Jitsu gewechselt. Bei allen Entwicklungen des Vereins war er aktiv beteiligt und blickt so auf eine ereignisreiche und erfolgreiche sportliche Vergangenheit zurück. Seine Erfahrung, sein großer Wissensschatz und sein Humor sind wesentliche Aspekte, die in das abwechslungsreiche Training mit einfließen. Ein strenger Blick und gleichzeitig ein Lächeln, das ist die Methode, mit der Dieter Mäß bei den Kindern und Erwachsenen das Training gestaltet, wie es auch aus seinen folgenden Worten zu entnehmen ist: "Für Tausende von Menschen war und ist der Bushido Mülheim ein Verein, um Kraft zu tanken, und sich fit zu machen für jeden Tag, der uns erwartet. Hier stärken wir unseren Körper, schulen den Blick aufs Wesentliche und fokussieren unsere Gedanken auf die Ziele, die wir erreichen wollen. Wir, die Lehrer, schulen die Mitglieder in einer Kampfkunst und Selbstverteidigung mit viel Leidenschaft und Engagement."
Unterstützt wird er dabei von Sascha Berndsen, der auch 1. Vorsitzender des Bushido Mülheim ist. Als Polizist und Träger des 3. Dan Jiu Jitsu verfügt Sascha Berndsen nicht nur über reichlich Fachwissen, sondern kann auch seine im Beruf gesammelte praktische Erfahrung in das Training mit einfließen lassen. Als weitere Lehrer stehen die Dan-Träger Dr. Peter Korneli, Dagobert Hübel, Anne Weber, Nicole Berndsen (Geschäftsstelle), Ralph Buchhain, René Wittinghofer, Tassilo Ledwig und Sven Redlich den beiden tatkräftig zur Seite. Mit Manfred Künzel (84 Jahre) kommt jeden Dienstag das älteste Mitglied in die Sporthalle, um sich das Training im Verein anzuschauen.
 

Etwas, das an sich gut ist, wird oft gecovert, geliebt und nicht nur kopiert, sondern weiterentwickelt. Das gilt für den Song und für die Route 66 als "Mutter aller Straßen". Im Gegensatz zu berühmten Songs und Straßen ist der Geist des Budo immateriell. Er manifestiert sich unter anderem im Tun und Sein des Budoka. Diese werden weitergegeben. Hierfür bedarf es starker Persönlichkeiten, welche als Lehrer und Vorbilder den Übenden vorstehen und diesen den Weg (Do) weisen. Von Generation zu Generation. Hier reiht sich jeder Lehrer ein in die Tradition. Jiu Jitsu wird weitergegeben. Wissen wird weitergegeben, wächst und gedeiht. Von Budovereinen gibt es bekanntlich keine Coverversionen, aber sicherlich darf dem Bushido Mülheim attestiert werden, dass er im Laufe seiner Vereins- und Wirkungsgeschichte eine der Keimzellen des Jiu Jitsu im Ruhrgebiet und in der Umgebung gewesen ist. Und noch mehr, denn aus dem "Pflänzchen" ist ein stattlicher Baum geworden, dessen "Ableger" mittlerweile weit verstreut sind und Wurzeln geschlagen haben:

So sind neben dem Vereinsgründer Hans-Gert Niederstein drei der Großmeister der KID und des DJJB aus dem Bushido hervorgegangen, Dieter Lösgen (10. Dan Jiu Jitsu, Ehrenpräsident KID/DJJB), Josef Djakovic (9. Dan Jiu Jitsu, Präsident KID/DJJB) und Dieter Mäß (8. Dan Jiu Jitsu). Neben den vorgenannten Großmeistern hat der Bushido zahlreiche hochgraduierte Lehrer hervorgebracht, die in eigenen Vereinen oder angeschlossenen Vereinsabteilungen das Jiu Jitsu lehren, pflegen und weiterverbreiten.
Dies sind unter anderem: Frank Reichelt (5. Dan Jiu Jitsu, Doshinkai Oberhausen e.V.), Achim Wiemer (4. Dan Jiu Jitsu, Kishido TV-Hochstetten 1904 e.V.), Stefan Brandt (3. Dan Jiu Jitsu, PSV Krefeld – Bereich Jiu Jitsu), Sabine Kloß (2. Dan Jiu Jitsu, Styrumer Turnverein von 1880 e.V.) und Friedrich Breitkreutz (1. Dan Jiu Jitsu, TSV Viktoria 1898 e.V.). Einen herzlichen Glückwunsch dem Bushido Mülheim zu seinem 60jährigen Bestehen.
Möge der Verein auch weiterhin sein traditionelles Jiu Jitsu mit so viel Erfolg und Leidenschaft lehren, wie er es bisher getan hat.

Dieter Mäß & Peter Korneli