Deutscher Jiu Jitsu Bund

Die heutige, moderne Welt ist wie in Urzeiten ein "Dschungel" mit ganz eigenen Regeln. Insbesondere für Kinder ist es eine Herausforderung, dort selbstständig ihren Weg zu finden, und zwar im konkreten wie im übertragenen Sinne.
So hatten wir uns als Trainerteam der Jugendabteilung des Bushido Mülheim: Sascha Berndsen (3. Dan Jiu Jitsu, 2. Dan Aikido), Dagobert Hübel (1. Dan Jiu Jitsu) und Nicole Berndsen (1. Dan Jiu Jitsu) zur Aufgabe gemacht, hier für die jungen Jiu-Jitsuka wegweisend zu sein, um mit diesen die notwendigen "Regeln" zu erlernen und zu üben. Wir hatten natürlich schon im Vorfeld unsere "Hausaufgaben" gemacht, jetzt kam es auf die Umsetzung bzw. die Vermittlung der "Regeln" an. Hiermit kann man gar nicht früh genug anfangen.
Dabei wurden die jungen Jiu-Jitsuka von unseren Hilfstrainern Xenia und Sascha unterstützt. Zwar werden im Kinder- und Jugendtraining des Bushido Mülheim Selbstverteidigung in Form von Jiu Jitsu und mit den steigenden Fähigkeiten auch Selbstbehauptung gelehrt, aber auch andere Fertigkeiten sind für das "Klarkommen im Großstadtdschungel" wichtig.
Dazu fanden sich vor kurzem an einem Samstag zahlreiche Schüler der Kinderabteilung des Bushido Mülheim im Alter von sechs bis zehn Jahren zusammen, um sich einen ganzen Tag lang mit diesen notwendigen Fertigkeiten auseinander zu setzen. Im ersten Teil des Lehrgangstages beschäftigten wir die Teilnehmer mit Übungen zur Selbstbehauptung.
 

Begriffe wie die persönliche Sphäre und soziale Distanz, sowie Distanzunterschreitung und deren Verhinderung wurden thematisiert. Klare Sprache und ebenso klare Gestik und Mimik, um sich auszudrücken, gehörten zum Übungsrepertoire, ebenso das Erkennen von solchen beim Gegenüber. Mehrere Übungen, bei denen es auch laut wurde – denn der Kiai als Kampfschrei ist durchaus erlaubt –, rundeten diese Übungseinheit ab. Kommunikation ist eben sehr wichtig. Auf einem Seminar zum Thema "Sei bereit!" in einem Kampkunst-Verein darf das Thema Selbstverteidigung selbstverständlich nicht zu kurz kommen. Die Schüler übten einfache und effiziente Techniken ein. Besonderen Wert legten wir hier darauf, den Kindern nicht durch (von Erwachsenen ausgeführte) visuell eindrucksvolle Techniken ein trügerisches Gefühl der Sicherheit zu geben.
Ein sechs- bis zehnjähriges Kind kann sich körperlich aufgrund geringer Körperkraft, Größe und Gewicht nicht wirkungsvoll gegen einen entschlossenen Erwachsenen oder Jugendlichen durchsetzen. Noch nicht. Es wurde daher klar thematisiert, dass alle gezeigten Techniken nur Entschlossenheit demonstrieren, im wahrsten Sinne des Wortes "Luft" schaffen und dann die Möglichkeit zur schnellen, klugen Flucht ermöglichen sollen.
Auch Situationsbewusstsein und das frühe Erkennen und damit das Vermeiden von Gefahren flossen hier mit ein. Abgerundet wurde das Ganze mit dem Einsatz des "Black Man"-Anzuges, den unser jugendlicher Hilfstrainer Sascha anzog und so einiges einstecken musste. Um im "Großstadtdschungel" klarzukommen, bedarf es der Fähigkeit sicher von einem Ort zum anderen zu gelangen. Die Grundbegriffe des Orientierens in der Stadt wurden erst theoretisch im Gruppengespräch erarbeitet und dann in einer praktischen Orientierungsübung umgesetzt. Erste Grundbefähigung ist das Feststellen des eigenen Aufenthaltsortes.
Wichtige Markierungen wie Straßennamen, Hausnummern, Ortsschilder, Bushaltestellennamen etc. dienen dazu als Hilfe. Dazu kommt das Finden eines Weges nach Beschreibung. In einer kurzen Übung mussten diese Kenntnisse beim Finden eines Weges alle angewendet werden. – Der "Großstadtdschungel" birgt viele Gefahren. Damit auch die Gefahr körperlicher Verletzungen. Damit ist Erste Hilfe eine essentielle Fähigkeit. Ergänzt wird diese durch Kenntnisse darüber, wie man einen korrekten Notruf absetzt. Zum Thema der Ersten Hilfe konnten wir Dr. Yael Hegerfeldt (5. Kyu Jiu Jitsu) aus unserer Erwachsenenabteilung gewinnen.
 

Die erste und wichtigste Lektion der Ersten Hilfe, die Yael unseren jungen Schülern mit auf den Weg gab, war: Der einzige wirkliche Fehler beim Helfen ist gar nichts zu tun. Wer entschlossen handelt, entschlossen hilft, kann nur gewinnen. Nach einer kurzen Einweisung in Verbandsmaterial und andere Hilfsmittel ging es schon ans Eingemachte. Yael brachte dazu "Rescue-Ann", eine Rettungspuppe, zum Üben mit. Hiermit können Vitalzeichen festgestellt und lebensrettende Sofortmaßnahmen durchgeführt werden. Mit großer Aufmerksamkeit und noch größerer Begeisterung durften alle sich daran ausprobieren und so die Scheu vor dem Einsatz verlieren. Auch das Transportieren von Verletzten mit verschiedenen Hilfsmitteln wurde von den Kindern ausgiebig ausprobiert.
Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet, traten die Kinder in Gruppen die Abschlussübung an, in der viel von dem Erlernten angewendet werden musste. Ausgerüstet mit Rettungsdecke, Dreieckstuch und einer Wegbeschreibung mit verschiedenen Aufgaben (und ohne Handys), wurden die Kinder in Begleitung eines Betreuers auf eine ihnen unbekannte Strecke geschickt. Neben dem Finden des richtigen Weges anhand von Beschreibungen musste auch eine Zusatzaufgabe zur Selbstbehauptung bewältigt werden. Von unterwegs sollte jede Gruppe den Lehrgangsleiter anrufen. Dazu wurden im Sinne der Übung von den Kindern z. T. fremde Passanten um ihr Handy gebeten oder in Geschäften nach dem Festnetztelefon gefragt.
 

Am Ziel der Strecke – einem Spielplatz – erwartete die Kinder eine zu übende Ausgangslage mit einer verletzten Person. Situation: Ein Kind ist vom Klettergerüst gefallen und hat sich am Bein verletzt. Erwartet wurde als Sofortmaßnahmen die Versorgung und Betreuung des Verletzten, das Absetzen eines korrekten Notrufes (Wer? Was? Wo? Wie viele Verletzte? Warten auf Rückfragen...) und das Abbergen des Verletzten. Alle Gruppen konnten die gestellten Aufgaben mit Bravour lösen und so am Lehrgangsende zur Freude aller als "Bereit für den Großstadtdschungel" nach Hause geschickt werden.
Fazit: Der Weg durch den "Großstadtdschungel" ist für Kinder oft sehr undurchsichtig und mit Ängsten und Hemmungen versehen. Wichtig ist, dass Kinder auf diesem Weg sinnvoll begleitet werden, damit sie an ihren Aufgaben wachsen können und stark werden. Dies geschieht durch eine Vielzahl von positiven Erfahrungen und an Herausforderungen, die zugleich kindgerecht und der Realität in der Großstadt mit ihren zahlreichen Facetten angemessen sind. Aufgabe von Erwachsenen ist Kinder zu beschützen; Kinder selbst sollen lernen, sich selbst zu behaupten und bewusst zu schützen. Das Üben des Jiu Jitsu im Verein ist hier ein sehr geeignetes Mittel, um den Kindern Orientierung und starkes Wachstum zu ermöglichen, damit sie ihren Lebensweg finden und diesen erfolgreich beschreiten.

Text: Sascha Berndsen
Fotos: Danny Bomblatus