Deutscher Jiu Jitsu Bund

"Man kann dir den Weg weisen, aber gehen musst du ihn." – Mit diesen Worten des Zanshin Dojo Erftstadt wurden die Teilnehmenden und die Besucher der 11. Deutschen Meisterschaften des Deutschen Jiu Jitsu Bundes vom 05./06. Mai 2018 beim aufmerksamen Betreten der Carl-Schurz-Dreifachhalle mit strahlendem Sonnenschein empfangen: Zum elften Male seit 1998 richtete der DJJB am genannten Wochenende Deutsche Meisterschaften im Jiu Jitsu aus, nachdem schon seit dem Jahr 1992 regelmäßig erfolgreich eine Teilnahme an den Meisterschaften der United Nations of Ju Jitsu (UNJJ) erfolgte.
Wie in den Jahren seit den ersten Deutschen Meisterschaften im Jahre 1998 sind auch bei den elften Deutschen Meisterschaften in Erftstadt, welche vom Zanshin Dojo Erftstadt (VFB Erftstadt) ausgerichtet und organisiert wurden, erneut deutlich mehr als 250 Athleten – der älteste Jiu-Jitsuka über 70 Jahre jung (der Jüngste in der Nähe eines "Zehntels"...) – aus allen Teilen Deutschlands angereist, um an den beiden Wettkampftagen bei etwa 470 Starts jeweils auf sportliche Art und Weise die Deutschen Meister in den fünf relevanten Oberkategorien Random Attack (Zufallsangriffe), Pairs (Paardemonstration), Kata, Bodenkampf und Team auf mehreren Wettkampfmatten in mehr als 40 Unterkategorien zu ermitteln.
Alle fünf Wettkampfformen streben den technischen Vergleich (nicht etwa nur den physischen!) an. Mit dem eindrucksvollen und dynamischen Einmarsch der Wettkämpfer und Punktrichter in die Carl-Schurz-Dreifachhalle in Erftstadt mit entsprechender Begleitung der Taiko Trommeln (Nagare Daiko) wurden am 05. Mai 2018 um kurz nach neun Uhr morgens die elften Deutschen Meisterschaften des DJJB eingeleitet.
Nachdem alle Jiu-Jitsuka – ob Groß oder Klein, Jung oder Alt, Kyu-, Mon- oder Dan-Grad – sich aufgestellt hatten, erfolgte die Begrüßung durch den Bürgermeister von Erftstadt, Herrn Erner, Repräsentant einer jungen Stadt, die im Jahre 1969 im Rahmen kommunaler Neugliederung gebildet wurde, und dennoch Wurzeln bis in die Römerzeit aufweisen kann. Somit ein guter Ort für Meisterschaften im Jiu Jitsu!
Für den Ausrichter sandte Denis Heinrich (4. Dan Jiu Jitsu) Grußworte an die Anwesenden, bevor die Meisterschaften nach der Begrüßungsrede des Präsidenten von DJJB und KID, Josef Djakovic (9. Dan Jiu Jitsu), in Anwesenheit des Ehrenpräsidenten Dieter Lösgen (10. Dan Jiu Jitsu) und der Landesleiter aus Rheinland-Pfalz (Harald Westrich, 6. Dan Jiu Jitsu) und Baden-Württemberg (Achim Wiemer, 4. Dan Jiu Jitsu) mit einem kraftvollen "Rei!" eröffnet wurden.
 


Josef Djakovic wünschte sich vorab in seinem Grußwort "(...) dass diese Meisterschaft dazu beitragen könne, das öffentliche Interesse an dieser schönen Kampfkunst zu wecken (...) und dass sie bei allen Aktiven und Interessierten einen sportlich fairen, guten und bleibenden Eindruck hinterlassen möge, damit jeder diese Meisterschaften in positiver Erinnerung behalten möge." (...) Zur Erinnerung gehört auch Tradition, die im Deutschen Jiu Jitsu Bund mit seinem Leitspruch Effektive Selbstverteidigung und traditionelle Werte hoch geschätzt wird. Traditionsgemäß wurde folglich die Nationalhymne Deutschlands vorgetragen, diesmal a cappella von Fabian Schmelcher gesungen. Es war für die berührten Zuhörer aber auch ein weiteres würdiges und ästhetisches Element des Rahmenprogramms.
Apropos Rahmen: Meisterschaften und sportliche Ereignisse brauchen auch besondere Rahmenbedingungen. Schon im Vorfeld hatten sich seit Monaten in intensivster Weise die Mitglieder des ausrichtenden Vereines von der Spitze bis in die Verästelungen hinein – in der Regel auch als Familie und Freunde bekannt – für die zwei Meisterschaftstage engagiert und die Planung dieses sportlichen Großereignisses übernommen, und zwar buchstäblich von "Aufbau" bis "Zahlen der Teilnehmenden". Solche Großereignisse können nur erfolgreich sein, wenn alle – von der Basis des Vereins bis in die Verbandsspitze hinein – miteinander für das Große und Ganze arbeiten und überall die Lücken geschlossen werden. Das betrifft die Vorbereitung auf und abseits der Matte, denn die Teilnehmenden in den zahlreichen Kategorien müssen von den Lehrern vorbereitet, begleitet und motiviert werden, und zwar über Monate hinweg.
Ein Team trainiert sich nicht von selbst, hier ist die "Logistik" der Vereine gefragt – motivierte Eltern und Freunde wissen sicherlich, was gemeint ist... Gemeinschaftliches Zusammenarbeiten schafft die "runde" Sache, die den Budoka erst zu dem macht, was er ist: Ein Mensch, der im Zyklus des Lebens lernt, vom Lernen profitiert, Wissen an Begeisterte weitergibt, bis diese schließlich ihrerseits das gesammelte Wissen weitergeben können, und man vielleicht irgendwann wieder zu seinem eigenen Ursprung zurückkehrt.
Somit kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich hier in Erftstadt im wahrsten Sinne des Wortes wieder alles schließt und fügt. Der Kreis im Kreis bzw. Punkt im Punkt ist ein wesentliches Merkmal, welches sich im Emblem der Korporation Internationaler Danträger (KID) und ebenso im Emblem des Deutschen Jiu Jitsu Bundes wiederfindet; denn Kreis und Punkt haben in ihrer runden Form weder Anfang noch Ende. Der Reichtum der deutschen Sprache ermöglicht es uns bei dem Wort Meisterschaft, auch einmal über die Meisterschaft des Individuums, das einem Weg folgt, nachzudenken. – Mit der Teilnahme an einer Meisterschaft im Sinne einer sportlichen Veranstaltung ist der Budoka – wenn er "Gold" geholt hat – sicherlich in einem sportlichen Sinne Meister.
 

Doch der Budoka will mehr. Soll mehr. Kann mehr. Der Erfolg soll doch schließlich anspornen, auf der Matte noch intensiver weiterzumachen, um hier weiter an dem eigenen (inneren und äußeren) Weg zu arbeiten. Am eigenen Anspruch, was den Wunsch nach Perfektion einschließt. Die Meisterschaften helfen hierbei und schaffen wegen des technischen Vergleiches (mit dem Ziel der Perfektion) als Schwerpunkt keinen Widerspruch zum Gedanken des Budo, denn wir treffen wie im Alltag überall auf Hindernisse auf dem Weg, die überwunden werden wollen, auf Schwächen, denen wir uns mit Kraft entgegen stellen, auf ein plötzliches Wachstum und einen Erfolg, der erst mal "verpackt" sein will. Wenn der Budoka beim Übergang vom Schüler zum Meister möglicherweise schon das "Meiste" geschafft hat, dann kann er sich auf eine neue Ebene begeben und ... wieder neu anfangen. Nicht bei Null, aber auch nicht bei Hundert.
Das alles sind Aufgaben für den Budoka, die sehr viel mit Charakterbildung und -schulung zu tun haben. Zanshin (jap. Wachsamkeit) spielt hier eine bedeutende Rolle. Zanshin – das heißt auch Wachsamkeit in alle Richtungen, die eigene Entwicklung eingeschlossen. Der Ausrichter führt dieses wichtige Ziel des Budoka richtungsweisend im Namen! – Insgesamt kann festgestellt werden, dass an diesem Meisterschaftswochenende die Leistungen der Jiu-Jitsuka wieder auf einem beachtenswert hohen Niveau lagen, sodass die Sieger stolz sein dürfen auf ihren Erfolg. Verdient ist verdient! Wer nicht auf dem "Treppchen" stand, dem soll gesagt sein, dass es manchmal sehr knapp war! Und die Punkt- und Mattenrichter, welche im Rahmen der Aus- und Fortbildung des DJJB über Jahre hinweg Urteilskompetenzen erworben haben, hatten es stellenweise wirklich nicht leicht. Dies war bei der Qualität des Gezeigten auch nicht einfach und manchmal zählten kaum sichtbare Details – oder glückliche Fügung, ein Zufall oder eine hervorragende bzw. schlechte Tagesform, welche im Endeffekt über den Sieg nach Fähnchen "Rot" oder "Weiß" entschieden. Oft ist es auch die Erfahrung vorheriger Meisterschaften, die einen entscheidenden Vorteil gebracht hat, was somit als Motivation für die Zukunft gelten darf: "Nach den Meisterschaften ist ... vor den Meisterschaften..."
Doch es zählen nicht nur die Polaritäten Sieg oder Niederlage, denn jeder, der sich auf die Matte begibt und an einer Meisterschaft teilnimmt, geht mit einem Gewinn in Form eines Zuwachses an Erfahrung nach Hause. So war es auch diesmal. Gewonnen haben aber auch die Zuschauer, denn sie konnten spannenden Vorkämpfen beiwohnen und mit ihren Favoriten mitzittern: Da sah man Elternteile, Freunde und Bekannte in den Zuschauerrängen, manche mit der Kamera am Mattenrand oder beim Kaffee sitzen, während sie leidenschaftlich über das Wettgeschehen philosophierten. Der gesamte Samstag ist für die Vorkämpfe in den Wettkampfdisziplinen Random Attack, Pairs und Bodenkampf reserviert gewesen, während am Sonntag die Finalkämpfe im Random Attack, Pairs und Bodenkampf sowie die Entscheidungskämpfe in den Wettkampfkategorien Kata und Team folgen sollten.
 

Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg, denn es hieß, sich Kampf um Kampf nach vorne zu arbeiten. Der Erfolg der elften Deutschen Meisterschaften 2018 betraf aber nicht nur die motivierten Wettkämpfer, sondern alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf und abseits der Matte und spiegelte sich buchstäblich in Ablauf und Organisation der Großveranstaltung wider. Nach einem langen Wettkampftag hieß es am Samstagabend die Matte zu verlassen. Die Gedanken an den vergangenen ersten Wettkampftag und an den kommenden zweiten vereinten sich in einem freundschaftlichen Beisammensein der Jiu-Jitsuka aus ganz Deutschland.
Es war im Nachhinein betrachtet ein Abend, der neben dem Geselligen auch das Verbindende – etwas von Yin und Yang – suchte und fand. Wie bei Yin und Yang folgt auf die Nacht der Tag: Hier war es der Sonntagmorgen, der mit einem guten Frühstück aufwartete, um Kämpfer, Matten- und Punktrichter sowie das Organisationsteam einschließlich Zuschauer auf spannende Endkämpfe vorzubereiten. Nach den Finalkämpfen am Sonntagnachmittag stand es dann fest: "Verein der Herzen" wurde der Zanshin Dojo Erftstadt, welcher sich mit 4 x Gold, 5 x Silber und 2 x Bronze auf Platz vier vorkämpfte. Erfolgreichster Einzelverein darf sich der Zen-Bogyo-Do Otterbach in Rheinland-Pfalz nennen, denn seine Jiu-Jitsuka holten insgesamt 15 Gold-, 12 Silber- und 10 Bronzemedaillen.
 

Erfolgreichste Teilnehmer waren Dominik Löser (Bujindo Mülheim) und Peter Fischer (Zen-Bogyo-Otterbach), welche jeweils drei Gold- und eine Silbermedaille ins Heimatdojo mitnehmen durften. Die Vereine aus NRW konnten ihre guten Leistungen der vergangenen Jahre behaupten (siehe Medaillenspiegel). Abgerundet wurde der große Erfolg bei diesen 11. Deutschen Meisterschaften im Jiu Jitsu, welche in einer Stadt ausgerichtet wurden, in der Sport hoch im Kurs steht, durch eine von den Kämpferinnen und Kämpfern geschaffene gute Atmosphäre, das sehr gute Catering und die ausgezeichneten Rahmenbedingungen, die zahlreiche Möglichkeiten boten, den Meisterschaften beizuwohnen. Der Dank für die diesjährigen bemerkenswerten Deutschen Meisterschaften im Jiu Jitsu geht an alle Wettkämpfer und den Zanshin Dojo Erftstadt mit ihren zahlreichen freiwilligen Helfern und ihrem großen ehrenamtlichen Engagement sowie an das großartige Publikum, das die Wettkämpfer über beide Tage begeistert unterstützt und angefeuert hat.
Und wenn Applaus und Trubel langsam verklingen, bleibt der Eindruck der faszinierenden Kampfkunst Jiu Jitsu mit ihren zahlreichen Facetten … Die Deutschen Meisterschaften haben gezeigt, wie viel Kräfte in den Kindern und Jugendlichen – natürlich auch in den dem Jugendalter entwachsenen Erwachsenen – stecken, sie müssen nur geweckt und zum Guten hin entwickelt und gepflegt werden: die Kräfte. Dojo und regelmäßiges Training mit erfahrenden Lehrern – das sind die unverzichtbaren Rahmenbedingungen, um durch Jiu Jitsu Körper, Seele und Geist zu stärken und in ganzheitlicher Weise zu entwickeln.
Wir wünschen allen Jiu-Jitsuka, die an den Deutschen Meisterschaften 2018 teilgenommen haben, auch weiterhin alles Gute. Diejenigen, die noch nicht aktiv teilgenommen haben oder nach diesen Meisterschaften mit dem Gedanken der Teilnahme spielen, sind herzlich eingeladen, im sportlichem Wettkampf, im Zeichen von Fairness, Respekt und Freundschaft ihr Können zu zeigen und … vielleicht schon bald mit "Edelmetall!" auf das "Treppchen" zu gelangen.
Vorher kann man aber auch einfach mal beim Training vorbeischauen und Jiu Jitsu ausprobieren... einen Schritt nach dem anderen. Resümierend kann also festgehalten werden, dass die eingangs im Grußwort des Präsidenten von DJJB/KID (Josef Djakovic) formulierten Wünsche, dieses auf Fairness, Sportlichkeit und Budo-Geist fußende Meisterschaftswochenende des Jiu Jitsu in Erftstadt möge für Aktive und Interessierte in positiver Erinnerung bleiben, Realität wurden, sodass sich "ju ichi" (jap. Elf) in zwei Jahren "ju ni" (jap. Zwölf) anschließen wird, diesmal in Otterbach/Rheinland-Pfalz, und zwar beim Zen Bogyo Do in Otterbach.
 

Text: Volker Schwarz, Andreas Dolny
Bilder: Dagobert Hübel, Matthias König