Deutscher Jiu Jitsu Bund

Rund 250 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland reisten am Wochenende vom 11./12. März 2017 nach Otterbach zum Zen Bogyo Do e.V., um dort am alljährlich stattfindenden Internationalen Jiu Jitsu Lehrgang teilzunehmen.
Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig, schließlich steht „Otterbach“ seit vielen Jahren schon für ein Budo-Event, welches über die Zeit hinweg die Erwartungen immer wieder aufs Neue erfüllt.
Der Vorsitzende des ausrichtenden Zen-Bogyo-Do Harald Westrich konnte zu der 27. Veranstaltung wieder ein hochkarätiges Lehrerteam begrüßen. Zuerst zu nennen sind Dieter Lösgen (10. Dan Jiu Jitsu, Bundestrainer und Präsident DJJB/KID) und Josef Djakovic (8. Dan Jiu Jitsu, Bundesvorsitzender DJJB/KID).
Beide Referenten des DJJB aus NRW konnten auch an diesem Wochenende wieder mit ihren meisterhaft ausgefeilten Techniken auf höchstem Niveau Jung und Alt für Jiu Jitsu begeistern: Wer Dieter Lösgen und seine Hebeltechniken noch nicht kannte, wusste spätestens am Sonntag – nachdem eine Vielzahl von schnellen und effektiven Techniken auf dem Plan stand – was das „Z“ mit dem Hebel(n) zu tun hat... Josef Djakovic lud die Übenden im Rahmen der Einheiten ebenfalls zu begeisternden Begegnungen mit Technik & Wurf ein, was von den Jiu-Jitsuka, welche hier einen Auszug aus dem schier unerschöpflichen Repertoire erleben durften, sehr gerne angenommen wurde.
Auch Alain Sailly (8. Dan Goshindo) aus Frankreich war wieder als Referent auf der Matte und zog die Anwesenden mit seinen Techniken in seinen Bann. Andreas Güttner (6. Dan Ju Jutsu Do) hatte auch an diesem Lehrgangswochenende wieder zahlreiche Techniken gegen unterschiedliche Angriffe mit „im Gepäck“.
Ermano Olivan (4. Dan Aikido) lenkte im Rahmen der Übungseinheiten nicht nur die Aufmerksamkeit auf sich und sein Aikido, sondern vermochte es auch, in vielen Techniken, in denen – dem Wesen des Aikido gemäß – die Übenden in den Bewegungen von einer Richtung bzw. „Bahn“ sanft und zielgerichtet in eine andere geführt und schließlich auch fixiert wurden, zu überzeugen.
 

Bei allen Referenten zeigten sich neben den unterschiedlichen Ausprägungen auch Gemeinsamkeiten: Wenn zum Beispiel der erste Angriff abgewehrt ist, gilt der Kampf wahrscheinlich noch nicht als beendet, denn man gerät nur allzu schnell von einer Aktion in die nächste; dann ist Reaktion gefragt und gefordert. Offenheit für mögliche Folgeangriffe ist angesichts der hier mehrfach zu berücksichtigenden Gesetzmäßigkeiten von actio und reactio dringend erforderlich.
Der Lehrgang wurde am Samstagmittag vom Ersten Vorsitzenden Harald Westrich mit Grußworten an die Angereisten eröffnet. Nach der Einteilung der Gruppen und dem Aufwärmtraining mit Musik ging es dann in die Techniken...
Von 13.00 Uhr bis ca. 18:00 Uhr konnten die Teilnehmer in fünf verschiedenen Gruppen, ihren Gürtelgraden entsprechend, üben. Die Lehrer, welche nach gut 50 Minuten zur nächsten Gruppe wechselten, passten dabei den Schwierigkeitsgrad der Technik an die Bedürfnisse der jeweiligen Graduierungen an, damit zwar alle gefordert, aber niemand überfordert wurde.
Durch die unterschiedlichen Stile der Lehrer, lernten die Teilnehmer während der Übungseinheiten verschiedene Arten der Selbstverteidigung kennen und gewannen somit viele neue wertvolle Erfahrungen. Sie erkannten aber auch die allen Budo-Disziplinen innewohnenden Grundprinzipien. – Von den Teilnehmern wird der traditionell im März stattfindende Otterbacher Lehrgang nicht nur genutzt, um neue Techniken zu erlernen, sondern auch um neue Kontakte zu knüpfen und bestehende Freundschaften zu pflegen. Bei der Lehrgangsparty am Abend können alle gemeinsam feiern, was wie in jedem Jahr positiven Anklang fand.
 

Durch die Lehrgänge der letzten Jahre haben sich zwischen vielen Teilnehmern Freundschaften in ganz Deutschland und darüber hinaus entwickelt. Am Sonntagmorgen hatten die Teilnehmer nach einer kurzen Nacht nochmals die Gelegenheit vier Stunden bei den jeweiligen (nach Abschluss einer Übungseinheit jeweils wechselnden) Referenten zu lernen. – Wer in die Halle kam, ging an den für die Jahreszeit „zu frühen“ Kirschblüten (jap. Sakura) vorbei. Es waren künstliche Sakura, kunstvoll mit Geschmack und Bedacht im Raum angebracht... Sakura kündet vom Geist des Samurai. Im Rahmen des japanischen Kirschblütenfestes (jap. Hanami = „Blüten betrachten“) kann man in Japan etwa von Ende März bis Anfang Mai die etwa zehn Tage andauernde Blütenpracht der Kirschblüte(n) mit allen Sinnen bewundern.
Im Auge des (Menschen als Betrachter) spiegelt sich Werden und Vergehen der Kirschblüte wohl wie kaum woanders in der Natur als Unzweckmäßigkeit einer Existenz genau im Moment absoluter Schönheit und Vollkommenheit wider, während das Leben unmittelbar danach von ihr ablässt. Der Vergleich mit dem Menschen drängt sich geradezu auf. Im Blick auf den Moment wird die Bedeutung des Lebens und sein Wert vor dem Hintergrund von Zeit und Endlichkeit offenbar. – Am 11. März 2011 löste ein Tsunami die Reaktorkatastrophe von Fukushima aus, die im großen Zusammenhang das Leben von vielen Menschen betraf. Leben – das ist schließlich die Kette der aneinander gereihten (bewussten) Momente. Der Moment entscheidet im Budo über Sieg und Niederlage. Und somit ist es auch eine wichtige Übung, sich beim Üben immer wieder zu verdeutlichen und zu vergegenwärtigen, dass bei aller Leichtigkeit und Spaß des Trainings im Kampf und in der Selbstverteidigung der Moment über Wohl oder Wehe entscheidet! Ob materiell oder immateriell, abstrakt oder konkret – alles führt letztendlich hin zur ewigen „Bühne“ von Ursache und Wirkung.
 

Ein Grund mehr, das Leben in vollen Zügen zu genießen, und Budo gehört untrennbar dazu, weil es einfach Freude bereitet, eine Gemeinschaft bietet, Sinn gibt und auf unterschiedliche Art und Weise „fit“ für die verschiedenen Seiten des Alltags macht. Budo und alle Gemeinschaften leben von Kompetenz und Kontinuität der Leitung bzw. Führung und langfristiger Planung, von Einsatz, Begeisterung und Begeisterungsfähigkeit. Nur so können die Reihen geschlossen sein und bleiben. – Harald Westrich bedankte sich bei den Lehrern für den wieder überaus erfolgreichen Lehrgang und bei den Teilnehmern für ihr diszipliniertes und engagiertes Training. Ein besonderes Lob gilt den Ausrichtern für hervorragende und im wahrsten Sinne Grund legende (mit „Grund“ sind hierbei nicht nur die Tatami gemeint...) Arbeit der vielen Helfer im Hintergrund, die von den Mitgliedern des Vereins geleistet wird, um die Gäste zu bewirten und rundum willkommen zu heißen.
Allemal ein Grund, sich schon mal den nächsten Otterbacher Traditionslehrgang zu notieren.
Wir freuen uns jedenfalls schon auf „Otterbach 2018“...
 

Text: Volker Schwarz
Bilder: Zen-Bogyo-Do, Volker Schwarz