und "Allgemeine Themen aus der aktuellen Prüfungsordnung (PO)" mit Bernd Kampmann
In jüngster Zeit ist die Aktualität der Frauenselbstverteidigung wieder mehrfach deutlich geworden.
In diesem Zusammenhang kann folgende Frage gestellt werden: "Was kann ich machen, wenn ich von mehreren Seiten von Personen am Weggehen gehindert
werde und mich hiernach mit einem Angriff auf engem Raum konfrontiert sehe?" – Allemal ein Anlass, bestimmte frauenspezifische Angriffe in den
Fokus zu rücken und im Rahmen eines Lehrgangs zu thematisieren. Auf dem Lehrgang für Frauen des DJJB vom Sonntag, den 22. Mai 2016, wurde genau das Thema: "Beengte Verhältnisse und mehrere Angreifer" intensiv behandelt. Im Dojo des Bushido Mülheim waren zahlreiche Teilnehmerinnen mit ihren "männlichen Angreifern" angetreten, um sinnvolle und praktikable Techniken des Jiu Jitsu zu erlernen und einer solchen Situation zu entgehen, sich also zu befreien bzw. sich der Gefahrensituation durch eine gezielte Abwehr bewusst und aktiv zu entziehen.
Sensei Bernd Kampmann (7. Dan Jiu Jitsu) hatte einige Möglichkeiten vorbereitet, um diese den Teilnehmerinnen als wirksame Lösungen aufzuzeigen. Doch erst einmal ein paar Worte zum Ablauf: Zuerst wurde die Frage von Notwehr und Nothilfe genau beleuchtet. All unser Handeln steht schließlich immer in einem rechtlichen Kontext. Dabei wurde erarbeitet, was rechtlich in solch einer Situation überhaupt erlaubt ist und was nicht. Nachdem diese wichtigen theoretischen Grundlagen erörtert waren und eine kurze Aufwärmphase für den praktischen Teil des Lehrgangs nachgeschaltet war, wurden Grundtechniken an Schlagpolstern geübt.
Der Kontakt mit "echten" Unterlagen wie Schlagpolstern oder Pratzen ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man wirksam Selbstverteidigung üben will. Der "Kontakt" mit dem Gegner ist hierbei nicht nur gedacht, sondern es gibt einen Widerstand, der getroffen werden muss; dann ging es in die Folgetechnik. Hierbei standen effektive Techniken der Selbstverteidigung (für Frauen) – allesamt als Einzelelemente des Repertoires des im DJJB gelehrten Jiu Jitsu – im Mittelpunkt, die auch schon nach nur kurzer Trainingszeit umzusetzen sind. Vieles wurde schnell wiedererkannt. Insbesondere wurden z.B. der Handballenstoß und der Faustballenschlag geübt und verbessert.
Der richtig spannende Teil kam aber dann: Jeweils eine Teilnehmerin sollte sich im Kreis, eingeschlossen von mehreren Männern, verteidigen und mit dem vorher Geübten bzw. Gelernten befreien. Eine (in der Übungssituation im positiven Sinne) stressige Situation! Schnell wurde klar, wie wichtig die innere Einstellung, die "Konsequenz" und der eigene Wille (sich unbedingt wehren zu wollen) in einer derartigen Situation sind. So wurde den Teilnehmerinnen auch bewusst, wie man sich womöglich fühlen muss, wenn man von mehreren gewaltbereiten Personen umringt und bedroht wird. Es ist schon ein großer Unterschied, von solch einer Situation zu hören, in der Zeitung zu lesen, oder selbst diese "Realität" zu erleben.
Die Realität bestmöglich nachzustellen, war eine weitere Aufgabe dieses Lehrgangs. – Prävention wurde ebenfalls berücksichtigt und die Grenzen eigener Möglichkeiten angesprochen und ausgelotet. Wie auf allen Lehrgängen mit Sensei Bernd Kampmann üblich, wurde abschließend zur Anregung und Diskussion eine kurze Geschichte mit Lehrcharakter vorgelesen, in der es – genau zur Thematik des Lehrgangs passend – um "die eigenen Stärken" ging. Vielen, vielen Dank an die mutigen männlichen Angreifer. Ihr habt eure Aufgabe prima erledigt. Vielen Dank an den Bushido Mülheim: Ihr habt das Dojo perfekt vorbereitet. Vielen Dank an euch Frauen: Ihr habt am Lehrgangstag sehr intensiv und konsequent gearbeitet. –
Dieser Lehrgang knüpfte inhaltlich übrigens an einen Lehrgang an, der am Sonntag, den 10. April 2016, beim Bushido Düsseldorf stattgefunden hat. Auch hier hatte ich die Gelegenheit, einen Kyu-Lehrgang von Grün- bis Braungurt mit II. Streifen zu leiten. Thema dieses ausgeschriebenen Lehrgangs waren "Allgemeine Themen aus der aktuellen Prüfungsordnung (PO)". Ein weites Feld. Im Mittelpunkt standen Erarbeitung und Wiederholung der notwendigen Anfangs- und Grundbewe¬gungen bei gefassten Angriffen, weiter die Verdeutlichung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei realitäts- und prüfungsbezogenen Abwehrtechniken anhand einiger ausgewählter Techniken des Jiu Jitsu.
In der abschließenden kurzen Theorieeinheit verlas Sensei Bernd Kampmann ebenfalls eine interessante und lehrreiche Geschichte, die sich mit der grundsätzlichen Lebenseinstellung beschäftigte: Ist etwas "Neues" auch automatisch etwas für uns "Gefährliches", oder wird unsere Neugierde geweckt, die dann den Weg für neue Erfahrungen ebnet?
Möchten wir uns weiter entwickeln und wachsen, oder warten wir lieber ab? – Alles nicht immer mit ja oder nein zu beantworten... Alle Teilnehmer haben jedenfalls viel mitgenommen und sich mit Energie eingebracht, somit auch viel Kraft mitgebracht, gute Voraussetzungen für das Geben und Nehmen im Sinne von Yin und Yang. Einen großen Dank an das Team des Bushido Düsseldorf für die Vorbereitung und Zurverfügungstellung des Dojos.
Fazit für beide Lehrgänge: Das Agieren auf beengtem Raum ist nicht immer einfach. Je weniger "Spielraum" ich für meine Bewegungen habe, desto schwieriger wird es, sich im Rahmen möglicher Selbstverteidigung zu wehren. Das gilt für frauenspezifische Angriffe und für gefasste Angriffe allgemein.
Die Grundtechniken bilden überall im wahrsten Sinne des Wortes das Fundament, auf dem (mit späteren komplexeren Techniken) aufgebaut werden kann. Komplexere Techniken bestehen in ihrer Gesamtheit aber auch nur aus Einzeltechniken bzw. Grundtechniken. Wenn die Grundtechniken sitzen, habe ich die "Luft", um auf Dinge zu reagieren, auf die ich im Vorfeld nicht vorbereitet war. Für den Budoka ist es aber auch wichtig zu wissen, dass man mit allen Sinnen sein Umfeld beobachten und wahrnehmen sollte. Dieser präventive Aspekt (Entwicklungen erkennen, bevor sie entstehen...) darf nicht vernachlässigt werden und ist fester Bestandteil des Budo und der Selbstverteidigung.
Eben Jiu Jitsu...
Bernd Kampmann