Deutscher Jiu Jitsu Bund

Den „typischen“ Messerangriff – das ist uns wohl klar – gibt es sicherlich nicht. Dass ein Messerangriff im realen Leben zudem oft nicht schulmäßig erfolgt, dessen sind wir uns alle mehr (oder weniger) bewusst. Genau an diesem Punkt setzte der Lehrgang Verteidigung gegen Schlag- und Stichsequenzen (Eigenarten von Messerangriffen und deren Abwehr) an.
Der Kyu-Lehrgang am 11. Juni 2016 für Jiu-Jitsuka vom Grüngurt bis einschließlich Braungurt II. Streifen beim TV Hohenlimburg 1871 e.V., welcher von Denis Heinrich (4. Dan Jiu Jitsu) geleitet wurde, sollte sich wieder einmal dieser Problematik, nämlich schwierigen und gefährlichen Szenarien und Verteidigungssituation widmen. Das reine Üben von verschiedenen Verteidigungen gegen Messerangriffe wurde hier zunächst einmal weit nach hinten geschoben. Vielmehr ging es an diesem Lehrgangstag in erster Linie darum, das Gefühl für den eigentlichen Angriff bzw. die Angriffe, also eine (schnelle) Serie von Messerstichen oder Messerschnitten zu bekommen.
Die Lehrgangsteilnehmer nahmen im Rahmen einer Einführung in die spezielle Waffenkunde des Messers, welche Denis Heinrich zunächst vornahm, auf der Tatami verschiedene echte und scharfe Messer, wie sie zum Beispiel in der Küche oder auch in der Werkstatt vorzufinden sind, in die Hand, was im Trainingsalltag (auf der Matte) eher eine Seltenheit darstellt. Es ging nicht darum, mit der scharfen Waffe zu üben oder sich auf den Messerkampf par exellence vorzubereiten, sondern wie eingangs beschrieben, ein Gefühl für das Messer als mögliche Waffe und den Messerangriff an sich zu bekommen.

So musste dann auch tatsächlich eine zu diesem Zweck hergerichtete alte Matratze als „Dummy“ für Übungen herhalten. Jeder Schüler sollte mit verschiedenen Messerarten eine Serie von Stichen ausprobieren. Dies führte bei allen Anwesenden durch die Konfrontation mit dem „Handling“ und dem Widerstand, welcher überwunden werden muss, bis das Messer in einen Gegenstand – hier exemplarisch die alte Matratze – eindringt oder diese schneidet, zu einer deutlichen Intensivierung der Ernsthaftigkeit des Handelns und zu einer realistischeren, bewussteren Einschätzung über das Mögliche und das Unmögliche in Bezug auf die Führung und den Einsatz der Stich- bzw. Hiebwaffe.
Im Ernstfall ist es möglicherweise nicht die Matratze, welche „verletzt“ wird, sondern es ist der menschliche Körper! Der eigene oder der des Angreifers. Denis Heinrich wies somit im Folgenden immer wieder auf die Gefahren des Messers bzw. messerartiger Gegenstände als Waffe hin. Auch die (straf)rechtlichen Rahmenbedingungen wurden ausgiebig thematisiert. In einem weiteren praktischen Teil des Lehrgangs folgten dann verschiedene Abwehrtechniken gegen das Messer.

Des Weiteren wurden verschiedene Gemenge-Lagen genutzt um den Überraschungsmoment zu simulieren. – Oft ist es ernüchternd festzustellen, wie schwer es ist, in solchen Stresssituationen angemessen zu reagieren. Aufmerksamkeit, das Abrufen des Gelernten und Entschlossenheit sind hier der Schlüssel, um sich überhaupt wirkungsvoll zur Wehr zu setzen. Selbstverständlich sollte nicht nur das Gefühl für den Angriff, sondern auch (für) die Verteidigung eine bedeutende Rolle spielen, schließlich geht es ja um Techniken des Jiu Jitsu; weiterer Schwerpunkt dieses Lehrgangs: die Perspektiven des Angriffs und der Abwehr näher kennen lernen. Das schloss vor allem Abwehren am Boden mit in die Betrachtung ein. Um verschiedene Lösungsansätze auszuloten, wurden Videos von realen Messerangriffen herangezogen.
Aus der Kombination der Eindrücke aus den Videos und dem Üben auf der Matte ergab sich, dass womöglich die konsequente Attacke zum Gesicht des bewaffneten Angreifers eine gute Möglichkeit der Selbstverteidigung bietet, um eine gewisse Kontrolle über den Gegner und die gesamte Situation zu bekommen – schließlich folgt der Körper immer der Kopfbewegung (man kennt dies auch vom Tauchen bzw. Schwimmen).

Am Ende des Lehrgangs war allen Anwesenden klar: Der Messerangriff ist sicher eine der heimtückischsten und gefährlichsten Attacken, sehr schwer zu erkennen und mindestens ebenso schwer abzuwehren. Annähernd realistische Szenarien in das Training einzubauen, ist die Aufgabe der Lehrer/Meister, was zugleich auf die besondere Verantwortung in der Lehre hinweist, was wieder zum alten Spruch: Übung macht den Meister... (oder in Abwandlung: Der Meister macht viel(e) Übungen... bzw. Der Meister lässt viel üben...) hinführt. – Nicht unerwähnt bleiben soll abschließend die unterstützende Teilnahme zweier KID-Anwärter: Sonja Dressler und Ulrich Becker, die sich gerade in der Probezeit zur Aufnahme in die Korporation Internationaler Danträger (KID) befinden, halfen dem Lehrgangsleiter Denis Heinrich aktiv und tatkräftig bei der Durchführung des Seminars.

Denis Heinrich