Deutscher Jiu Jitsu Bund

Am Samstag, den 18. November 2017, fand im Dojo des Toshido Hagen der zweite Prüferlizenzlehrgang des Jahres statt.
Der Prüferlizenzlehrgang für den Neuerwerb und die Verlängerung der Prüferlaubnis wurde wie immer in einen theoretischen und in einen praktischen Teil untergliedert. Zunächst wurden die grundlegenden Modalitäten des Prüfungswesens von KID/DJJB thematisiert.
Hierzu zählen unter anderem die Fragen, wie eine Prüfungskommission zusammengesetzt sein muss oder wann die Prüferlizenz (KID/DJJB) verlängert werden muss.
Die Unterschiede zwischen Kyu- (Mon-) und Dan-Prüfungen wurden ebenfalls mit Blick auf die Ausführung der Techniken, die Disziplin der Geprüften und die Einhaltung der Dojo-Etikette herausgearbeitet. Dem Prüfling muss bei Prüfungsantritt bewusst sein, dass Technik, Kondition, Wille und Haltung stimmen müssen, und dass die Prüfung ohne Unterbrechung präsentiert werden muss. Eine Prüfung ist schließlich auch ein Test, ob man sich wirklich an seine eigenen (gesundheitlich vertretbaren) Grenzen wagt.
Die Prüfer wiederum begutachten die Leistungen jedes einzelnen Jiu-Jitsuka und sehen das Geleistete in Relation zueinander, und zwar in differenzierter Art und Weise. Hierbei spielen vor allem Gürtelgrad und Alter eine erhebliche Rolle. Wie wichtig die Rolle von Lehrer und Prüfer in diesem Zusammenhang ist, wird immer dann sichtbar, wenn es um konstruktive Kritik geht. Jeder muss auf seinem Weg auf Kritik stoßen. Es kommt auf die „Dosis“ an. Wird Kritik als „Hindernis“ wahrgenommen, so wirkt sie sich negativ auf den Lernfortschritt aus. Kann der Jiu-Jitsuka die Kritik annehmen („Ja, hier muss ich noch an mir arbeiten; ich schaffe das auch...“), so wird er auf lange Sicht gestärkt aus der „kritischen“ Situation hervorgehen.
Das heißt aber nicht, dass vor allem junge Menschen im Kontext einer falsch verstandenen Pädagogik „in Watte gepackt“ werden. Das wird ihnen nicht helfen! Vielmehr ist Jiu-Jitsu als Kampfkunst der Familie des Budo auch der Realität verpflichtet. Und dies in zweierlei Hinsicht: Erstens, wenn es um die persönliche Entwicklung des Menschen auf und abseits der Matte geht.
Hier muss der Jiu-Jitsuka sich sicher sein, dass die Leistungen real eingeschätzt und Richtiges und Falsches benannt und eingeordnet werden. Dem Lehrer kommt hier die bedeutende Aufgabe des Vorbildes zu, dem sich niemand von uns entziehen kann, ob man will oder nicht. Zweitens sei der Jiu-Jitsuka trotz des technischen Schwerpunktes und der Tatsache, dass wir uns glücklicherweise in einer friedlichen und bürgerlichen Gesellschaft befinden, daran erinnert, dass Selbstverteidigung immer an den Gedanken des Kampfes und an die Ausschöpfung aller Kräfte gekoppelt sein muss, kurz: Das Ausloten eigener Grenzen – materiell oder immateriell – ist anzustreben, um zu wissen, was man im Not- oder Bedarfsfall leisten kann.
Bernd Kampmann (7. Dan Jiu Jitsu, Referent für das Prüfungswesen) wies die Teilnehmer an entsprechenden Stellen immer wieder darauf hin, dass der Lehrer auf der Matte (wie überall) das Maß ist, an der sich Schüler orientieren; er ist das Abbild, der „Leuchtturm“ im Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden. Der Lehrer erkennt schon im normalen Training, was ein Schüler zu leisten imstande ist, wann er den Jiu-Jitsuka wegen Erkältung zur Leistungszurücknahme mahnt, welche Anforderungen an den 25-Jährigen und an den 50-Jährigen gestellt werden dürfen und wie allgemein mit Stärken und Schwächen umzugehen ist.
Der Lehrer im Dojo ist auch für die Kommunikation in der Lerngruppe und für die Lernatmosphäre verantwortlich. Was für die Kyu- oder Mon-Prüfung im Heimatdojo gilt, trifft auch für die Kommunikation zwischen Prüfenden und Lehrer im Kontext einer Dan-Prüfung zu. Das Prüfungsergebnis ist nicht auf den Tag der Prüfung zu beschränken, sondern ist vielmehr das Ergebnis einer langen Vor- und schließlich auch einer Nachbereitung. Diese Erkenntnis leitete auch über in den praktischen Teil des Lehrgangs, welcher drei Schwerpunkte aufwies: Judowürfe, Hebel und Bewegungsrichtungen. Dass man nicht erst mit dem 1. Dan Jiu Jitsu Judowürfe in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, das ist keine neue Erkenntnis. Vielmehr ist es unumstritten, dass die Beherrschung des Judo im Jiu Jitsu immer wieder verbessert und gepflegt werden muss. Wie ein Garten mit seinen Pflanzen in seiner Gesamtheit gepflegt sein will, müssen auch die Techniken (des Judo) durch regelmäßiges Üben und ggf. Korrektur kultiviert werden. Gleiches trifft auch auf die Hebeltechniken im Jiu Jitsu zu, denn nur der korrekt ausgeführte und sinnvoll im buchstäblichen Sinne „angesetzte“ Hebel wird die erwünschte Wirkung erzielen.
Besondere Aufmerksamkeit sollten die Bewegungsrichtungen in Techniken erhalten. Jede Einzeltechnik besteht aus zahlreichen Einzelbewegungen, welche sinnvoll aneinander gereiht bzw. verknüpft werden, um den Partner im Rahmen der Abwehrbewegung logisch durchdacht, dynamisch und sinnhaft korrekt in die gewünschte Richtung zu bewegen. Hinter dem Tun steht schließlich eine Absicht, Abwehrbewegungen sind kein Zufall, sondern sie sind auf der Matte das Ergebnis des Übens von Tori und Uke (unter der Aufsicht ihres Lehrers); auf der Straße bzw. im Verteidigungsfall sind es die eingeübten Bewegungsabfolgen, welche bestmöglich, ohne intensives Nachdenken und intuitiv handeln müssen.
Auf der Matte wurde im Rahmen des Praxisteils sehr intensiv nachgedacht und geübt, denn Bernd Kampmann gab immer wieder kleine Technikaufgaben, welche von den Teilnehmern geübt wurden. Insgesamt war es für alle ein kurzweiliger und spannender Lehrgang, der jeden wieder ein Stück weitergebracht hat. Auf dem eigenen Weg oder dem Weg der Schüler, der von uns begleitet wird…
Vielen Dank an Bernd Kampmann für den lehrreichen Streifzug durch das Prüfungswesen von KID und DJJB!
 

Text: Volker Schwarz
Bild: Bernd Kampmann