Deutscher Jiu Jitsu Bund

Am Sonntag, den 30. März 2015 trafen sich zahlreiche Jiu-Jitsuka beim VFB Erftstadt Zanshin-Dojo, um gemeinsam unter der Leitung von Gerhard Dressler (6. Dan Jiu Jitsu) einen Lehrgang im Jiu Jitsu zu absolvieren.
Thema des Lehrgangs für Jiu-Jitsuka von Gelb- bis Grüngurt war: Grundlagen des Jiu Jitsu am Beispiel ausgewählter Verteidigungstechniken. Das Spektrum des Jiu Jitsu, welches im Deutschen Jiu Jitsu Bund gelehrt wird, ist in Bezug auf Abwehrtechniken gegen unterschiedlichste Angriffsformen sehr breit gefächert. Dennoch können einzelne Spezialtechniken sehr spezialisiert wirken. Die einzelnen Techniken im Jiu Jitsu sind praktisch unendlich variierbar, ein Baukasten-System "spendet" die einzelnen Bestandteile einer jeden Technik. Somit wird gewährleistet, dass nicht für jede Abwehr eine neue Bewegung geübt bzw. gemerkt werden muss, sondern sich vielmehr wenige Ausgangstechniken unendlich oft variieren lassen.

Bei genauerem Hinschauen entpuppen sich die scheinbar vom Grundmuster des "Baukastens" abweichenden Techniken aber wieder als Ergebnis von Variationen, die ein und derselben Quelle entspringen. Die Vielfalt des "Baukastens" muss daher nicht abschreckend wirken, sondern soll zeigen, dass alles mit allem verbunden ist. Und außerdem hat man ja das ganze Leben um zu üben...
Die Anatomie des Menschen gibt die Möglichkeiten für Angriffe und Abwehren vor. Wenn Waffen wie Stock oder Messer im Spiel sind, wird dieser Rahmen möglicherweise vergrößert, bleibt grundsätzlich aber überschaubar. Hierbei gibt es grundlegende und unveränderliche Prinzipien – wie etwa korrektes Ausweichen, korrektes Herausgehen (Herausdrehen), korrektes Blocken oder etwa das frühe Hineingehen in den Gegner. Die frühe Initiative will geübt sein! Und immer wieder aufs Neue wiederholt. Und wiederholt. Und korrigiert. Und abgespeichert. Dann geht es um das Jiu Jitsu, und zwar um Weitergabe und Erlernen. In einem ewigen Kreislauf. – Zu hegen und zu pflegen sei bereit, das Wachsen überlass´ der Zeit, heißt es in einem deutschen Sprichwort. Das trifft auch auf die (Evolution der) Kampfkünste zu.
In der Evolution des Menschen haben uns seit den frühsten Tagen die beiden Reflexe "Flucht" und "Angriff" begleitet. Diese beiden tauchen auch im Jiu Jitsu auf, und zwar als "Ausweichen" und/oder "Reingehen". Unser Gehirn hat in früheren Zeiten im Sekundenbruchteil über Angriff oder Flucht entscheiden müssen, es war schlichtweg lebenswichtig schnell zu sein, und zwar in Entscheidung und Bewegung. Fehler wurden im Kampf ums Dasein nicht verziehen.

Der moderne Mensch muss sich glücklicherweise nicht mehr mit Säbelzahntiger & Co herumschlagen. Dennoch sind "Ausweichen" und "Reingehen" auch im Berufsleben – das betrifft besonders Kommunikation und alle Situationen, in denen Menschen aufeinander treffen – nicht zu unterschätzende Instrumente des Überlebens und Behauptens in der modernen Welt. Reaktionsvermögen und Wachsamkeit ebenfalls. Im Jiu Jitsu gehören diese zu den wirklich wichtigen Grundlagen.
Schon in den Gürtelbereichen von Gelb- bis Grüngurt müssen daher immer wieder bekannte Techniken und ihre Bestandteile geübt und variiert werden. Diese Grundlagen tauchen als Einzeltechniken und Einzelbausteine – mit anderen Bewegungen gekoppelt – immer wieder auf. Im Gegensatz zu Anfängern, welche sich in den elementarsten Grundtechniken üben, ist der Fortgeschrittene auf die Abwehrtechnik und die Verbesserung derselben (ob bald eine Prüfung ansteht oder nicht) fokussiert. Hier stellen sich zum Beispiel Fragen wie: "Wie mache ich die Technik links?" oder etwa "Was ist, wenn ich bei der Technik mit dem rechten (oder linken) Bein vorne stehe?" – Was der Anfänger bewusst übt, ist dem Fortgeschrittenen oftmals nicht mehr bewusst, weil er viele Einzelbausteine bereits gelernt und erfolgreich verinnerlicht hat. Sein Lernen ist auf Verbesserung ausgerichtet und lagert aus. Die Gefahr bei der "Auslagerung" besteht darin, dass – um in der Welt des Gartenbaus zu bleiben – "Wildwuchs" entsteht.
Daher leistet das Üben von Grundlagen des Jiu Jitsu im Bereich exemplarischer Techniken – welche in ihrer Erweiterung auch für einen Vielzahl von Technikgruppen stehen können – einen wertvollen Beitrag. Denn jeder Jiu-Jitsuka muss seine Techniken immer wieder wie einen kleinen Garten pflegen. Die Lehrer im DJJB bieten hierbei – insbesondere beim Training und im Bereich der Lehrgänge – Unterstützung und Orientierung. So auch an diesem Lehrgangstag. Es wurden verschiedene Abwehren aufbauend gegen exemplarische (den Teilnehmern weitgehend bekannte) Angriffe geübt. Jede Technik wurde mit wechselnden Partnern rechts und links trainiert.
Zwischendurch und am Ende des Lehrgangs wurden Theorieteile eingebaut um auch hier fortzuschreiten. Das richtige Maß an Theorie und Praxis in der entsprechenden Gewichtung bildet eine richtig gute Mischung, die durch nichts ersetzt werden kann. Alle anwesenden Jiu-Jitsuka haben an diesem Tag eine Menge Neues gelernt bzw. Bekanntes vertieft. Die Erkenntnis, dass das Bekannte immer noch mehr "Geheimnisse" in sich birgt – das ist eine der faszinierenden Facetten des Weges, der – einmal begonnen – nie mehr aufhört.
Der Sinn des Weges liegt vielleicht darin, über das Üben des Jiu Jitsu mehr über dieses und sich selbst herauszufinden. Sinn und Ziel des Deutschen Jiu Jitsu Bundes ist die Verbreitung und Pflege der japanischen Kampfkunst Jiu Jitsu. Eine gute gemeinsame Aufgabe.



Text: Gerhard Dressler, Volker Schwarz
Bilder: Denis Heinrich, Sven Posselt