Deutscher Jiu Jitsu Bund

Unter den kritischen Augen von Dieter Lösgen (10. Dan Jiu Jitsu, Bundestrainer und Cheflehrer des TBF) und Jürgen Rautert (3. Dan Jiu Jitsu) stellten sich am Sonntag, den 8. Februar 2015 die 20 angetretenen Kinder des TBF Bushido Essen-Frintrop der Herausforderung, den nächsthöheren Kyu- bzw. Mon-Grad im Jiu Jitsu zu erreichen.
Da übt man, und plötzlich ist es soweit... „Habe ich auch alles behalten? Stimmt die Reihenfolge? Was kommt noch mal nach den Tritttechniken?“ – Das hochkarätige Prüfungskomitee verstand es hervorragend, den Kindern die Prüfungsangst zu nehmen. Angst brauchte an diesem Tag somit keiner zu haben, auch wenn ein Rest an Lampenfieber geblieben ist.
Die Prüfung ist schließlich nur der Gipfelpunkt einer langen Vorbereitungsphase, in welcher man durch das stete Üben immer mehr Sicherheit erlangt. Und auch schon während des Trainings werden hier und da Tipps gegeben und die eine oder andere Technik muss korrigiert werden, was von den Lehrern gezeigt und den Schülern umgesetzt wird. Vor allem aber müssen die Techniken, die bei einer Prüfung verlangt werden, erst mal erlernt werden! Auf der Matte wird übrigens sehr viel gelernt und von Prüfung zu Prüfung wird das Prüfungsprogramm immer umfangreicher. Auch darauf muss man sich einstellen, wenn man langfristig Erfolg haben will.
Die Prüflinge haben sich in den letzten Wochen intensiv auf ihren großen Tag vorbereitet, denn von nichts kommt schließlich auch nichts, so spricht jedenfalls der Volksmund und verrät hiermit viel Wahres, das gleichermaßen für Jung & Alt zutrifft. Prüfungen im Jiu Jitsu werden nicht verschenkt, sondern sie sind vielmehr das Ergebnis von Leistung und Anstrengung, die letztendlich belohnt werden.
Im Vorfeld müssen die Leistungen stimmen, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Zeigt man im Training, dass man eine Prüfung ablegen möchte, kann man zur Prüfung zugelassen werden. Eine Prüfung zu bestehen, das bedeutet auch, dass eigene Grenzen überschritten und der so genannte "innere Schweinehund" ausgetrickst bzw. noch besser überwunden werden muss.
Die Prüfungsordnung (PO) des Deutschen Jiu Jitsu Bundes legt fest, welchen Umfang und welche Qualität eine Prüfung im Jiu Jitsu für einen bestimmten Gürtelgrad im Jiu Jitsu haben muss. Der Schwierigkeitsgrad steigt hierbei von Prüfung zu Prüfung. Der Prüfling muss folglich seine eigenen Kompetenzen immer weiter ausbauen, um am Ball zu bleiben. Es wird also beim Training auch unser Ego und unser Charakter angesprochen und man wird automatisch von allen Seiten zu freiwilligen Leistungen zu eigenen Gunsten ("Ich will besser werden...") angespornt.
Das gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche, welche in einer schnelllebigen Zeit lernen müssen, dass wahrer Erfolg hart erarbeitet werden will. Erfolg braucht Vorbereitung und Begleitung. Dinge, die ohne große Mühe erreicht werden, können niemals den Stellenwert solcher Vorhaben bekommen, welche im wahrsten Sinne des Wortes erarbeitet werden müssen, denn das Wort Arbeit stammt von "Mühe". Am Ende einer langen und anstrengenden Phase des Übens steht dann eine Prüfung, in der eine individuelle Leistung von einer Prüfungskommission begutachtet, bewertet und auch benotet wird. Am Ende geht es hauptsächlich um die Frage: "Bestanden oder nicht bestanden?"
Doch bei der Prüfung und auch bei der Prüfungsvorbereitung bzw. beim Training im Vorfeld ging es nicht nur um das reine Üben von Techniken und Technikfolgen. Vielmehr geht es beim Jiu Jitsu – und das betrifft erneut Jung und Alt – um die Charakterschulung. Hierbei steht auch die innere Haltung eines Jiu-Jitsuka im Vordergrund. Schließlich geht es nicht nur um (m)ein äußeres Wachstum, sondern auch um (m)ein inneres Wachstum, was sich vor allem in der Einstellung bezüglich des Respekts gegenüber dem Partner widerspiegelt.
Für den Außenstehenden schimmert angesichts des Wechsels von Angreifer und Verteidiger an manchen Stellen das alte Sprichwort durch: „Was du nicht willst, das man dir tu' das füg auch keinem andern zu." Nimmt man nun die positive Formulierung dieses Sprichworts, so gelangt man zur so genannten goldenen Regel: „Behandele andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst." – Auf der Matte lernen Kinder und Jugendliche durch das Üben des Jiu Jitsu die Folgen und Konsequenzen ihres Handelns kennen. Sie lernen vor allem sehr viel über sich, über die anderen auf der Matte, über Konsequenz, Durchhaltevermögen, und damit auch sehr viel über das wunderbare Gefühl, in der Gruppe, mit dem Partner und durch selbstständiges Arbeiten über einen längeren Zeitraum ein Ziel verfolgt zu haben und dieses schlussendlich aus eigenen Kräften erreicht zu haben.
An diesem Sonntag bestanden zu haben, das bedeutet auch einen Schritt in Richtung "Fitness für das Leben", getan zu haben, denn dieses hält viele Proben und "Übungen" für uns parat. Geschafft ist aber geschafft! Dieses Hochgefühl und das Bewusstsein – mit dem neuen Gürtel und der Urkunde in der Hand mit den anderen Jiu-Jitsuka auf der Matte zu stehen – kann man sich mit Geld nicht erkaufen. Das muss man sich erkämpfen! Dabei helfen erfahrene Lehrer im Jiu Jitsu, die schon seit Jahrzehnten erfolgreich auf der Matte stehen. Die dargebotenen Leistungen an diesem Sonntag waren durchaus beeindruckend, so manche Eltern haben ihre Kinder gar nicht wieder erkannt, und zwar im positiven Sinne.
So hatte Dieter Lösgen viele lobende Worte für die 20 Jungen und Mädchen parat. An der einen oder anderen Stelle sollte aber auch genaue Beratungskritik geäußert werden. Diese Kritik ist mindestens so wertvoll wie Lob. Ein Samuari Schwert muss auch schier unendlich oft gefaltet werden, bis es ein Höchstmaß an Perfektion erhält. "Falten" – so darf das hier natürlich nicht verstanden werden – bezieht sich auf die Schmiedekunst der japanischen Meister. Beim Training ist natürlich vor allem pädagogisches Geschick und eine intensive Trainingsatmosphäre während des Trainings notwendig. Das Dojo ist schließlich ein besonderer Ort des Lehrens und Lernens, das schließt auch Disziplin und Konzentration als selbstverständliche Voraussetzungen mit ein.

Lob und Kritik müssen sein und die jungen Jiu-Jitsuka lernen durch diese individuelle Manöverkritik, dass man nie aufhören darf an sich zu arbeiten. Es geht hier schließlich um das Jiu Jitsu, eine uralte Kampfkunst, welche unter anderem heute in dieser Form so gut in der Familie der Budo-Künste dasteht, weil sie sich stets angesichts des unausweichbaren Wandels auf das Fundament des Alten bzw. Bewahrenswerten stellen konnte, um gleichzeitig auf das sinnvolle Neue zuzugehen.
Wer Jiu Jitsu auf der Matte lernt, lernt auch, sich abseits der Matte zu behaupten, und zwar im Rahmen dessen, was als erlaubt gilt und was mit den Regeln innerhalb und außerhalb der Matte konform geht. Dieser Entwicklungs- und Schärfungsprozess auf großer Ebene muss auch im einzelnen Jiu-Jitsuka stattfinden und kann ohne den Willen Kritik zu üben und diese anzunehmen nicht fortgeführt werden. Jeder Übende ist somit Teil des ewigen Ganzen. Jede Technik ist ein Moment in diesem Kreislauf.
Das Motto des lebenslangen Lernens gilt halt auch auf der Matte, und zwar schon lange, bevor die moderne Welt dieses für sich entdeckt hat. Eine erfolgreiche Prüfung – wie an diesem Tag – ist das Ergebnis all derjenigen, die sich im Vorfeld engagiert haben, dazu gehören natürlich auch die Lehrer bzw. Trainer, bei denen sich Dieter Lösgen für die gute und intensive Vorbereitung ausdrücklich bedankte.
Den jungen Jiu-Jitsuka des TBF sei zur bestandenen Prüfung gratuliert und auch weiterhin alles Gute auf ihrem Weg gewünscht. Aber wie heißt es noch? Nach dem Spiel... bzw. nach der Prüfung ist vor der Prüfung...

Text und Foto: Frank Müller